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Spielzeit 21/22: vertrauen

vertrauen: haben wir unsere Spielzeit 2021/22 übertitelt. Vertrauen, als „mittlerer Zustand zwischen Wissen und Nichtwissen“ (Simmel), als durchaus risikoreiche Zuversicht in die Redlichkeit von Personen und Institutionen, als „Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität“ (Luhmann), als etwas, das wir schenken oder uns entgegengebracht wird, als Rohstoff für Utopien und naive Illusionen. Aus unterschiedlichen Zeiten und Blickwinkeln stellen unsere Inszenierungen und Projekte die Vertrauensfrage. Dabei haben wir dieses Mal viele historische Stoffe im Programm, von denen wir uns Anregungen für die Gegenwart erhoffen. 

Georg Büchners Dantons Tod in der Inszenierung von Ulrich Greb geht der Frage nach, ob eine Revolution zwangsläufig in die Restauration führen muss und wie der scheinbare Kreislauf zu durchbrechen ist. Der Dramenentwurf Die Polizey von Friedrich Schiller macht die Entstehung der Institution der Polizei in Paris zum Thema und erkennt schon in ihren Anfängen das systemische Dilemma des staatlichen Gewaltmonopols. Die Stückentwicklung von Anna Elisabeth Frick setzt sich mit der Fortschreibung dieses Konflikts bis in die Gegenwart auseinander und ist unser Beitrag zu ZEHN X FREIHEIT, der zweiten Theaterreise der RuhrBühnen. 
Der Bär, der nicht da war von Oren Lavie war im November dieses Jahres endlich sichtbar, nachdem er im letzten Jahr coronabedingt nicht gezeigt werden durfte. Das witzige und poetische Kinderstück über die Suche eines Bären nach sich selbst reist als mobile Produktion in Schulen und Kitas. Die Familienvorstellungen am Wochenende wurden wie in den Vorjahren im Jugendheim St. Barbara in Meerbeck aufgeführt. Eine Einladung zum NRW Kinder- und Jugendtheaterfestival WESTWIND war eine Honorierung der überzeugenden Arbeit des Ensembles mit dem Regisseur Andreas Mihan.
König Ödipus in der Inszenierung von Ulrich Greb ist ein Stück über die Blindheit der Vernunft. Sophokles führt seinen Helden zu der schmerzhaften Erkenntnis, wie sehr er für seine Lebensumstände verantwortlich ist und konfrontiert uns mit den hochaktuellen Folgen des „Anthropozän“. 
Die Brutalität der Schönheit nach Motiven des Films „The Square“ von Ruben Östlund wirft in der Regie von Paulina Neukampf einen selbstironischen Blick auf die Doppelmoral und Heuchelei des Kunst- und Kulturbetriebs und findet als Exkursion im Wallzentrum statt.

Auch das Junge STM ist nach dem Lockdown wieder höchst aktiv: Das Kinder- und Jugendtheaterfestival „Penguin’s Days“ wird 30 und wird das unter dem Titel „Anstoßen“ ausgiebig feiern. Darüber hinaus gibt es vier Inszenierungen mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Außerdem ein Bürger*innenchor-Projekt zum Thema Grundgesetz und den 13. Moerser Jugendkongress zur Überwindung von Rechtsextremismus und zur Förderung von Demokratie zusammen mit dem Bollwerk 107, der VHS und dem Kinder- und Jugendbüro der Stadt Moers.

Seit der Spielzeit 2019/20 erhalten wir im Rahmen des Förderprogramms „Neue Wege“ vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW und dem NRWKULTURsekretariat die Möglichkeit, das in die Jahre gekommene Einkaufszentrum Wallzentrum unter dem Titel Das W – Zentrum für urbanes Zusammenleben drei Jahre lang in Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern sci:moers und dem Fachbereich Social Urban Design der Hochschule Niederrhein mit kulturellen, künstlerischen und sozialen Projekten zu beleben. Dazu wurden Expert*innen aus den Bereichen Architektur, Soziologie, Design und Kunst eingeladen, um gemeinsam mit den Menschen, die dort leben und arbeiten, Perspektiven urbanen Zusammenlebens neu zu denken, zu entwickeln und zu erproben. 

Stark eingeschränkt durch die Corona-Maßnahmen konnten nach dem Lockdown zahlreiche partizipative und diskursive Projekte endlich in direkten Begegnungen stattfinden, was für ein interaktives Beteiligungsprojekt von essentieller Bedeutung ist (siehe: „Mehr…“). 

Dantons Tod | Die Polizey | Der Bär, der nicht da war | König Ödipus | Die Brutalität der Schönheit |
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Dantons Tod

Dantons Tod

VON GEORG BÜCHNER

Team

Mit: 
Joanne Gläsel 
Georg Grohmann 
Matthias Heße 
Emily Klinge 
Roman Mucha

Regie: Ulrich Greb
Bühne: Birgit Angele
Kostüme: Jochen Hochfeld
Choreographie: Constantin Hochkeppel
Dramaturgie: Sandra Höhne

 

Premiere: 9. September 2021,  Schloss

 

 

Fotos: Jakob Studnar

Am Tag der Erstürmung der Bastille, mit der die Französische Revolution begann, hatte der König beim Jagen kein Glück. Am Abend des 14. Juli 1789 schrieb Ludwig XVI. „Nichts“ in sein Tagebuch. Mit dem lapidaren Tagebucheintrag unterschrieb er das Todesurteil für die absolute Monarchie in Frankreich. Auf die Zeit des Umbruchs folgte unter der Führung der gemäßigten Dantonisten eine der ersten Demokratien in Europa. Die zweite Phase der Revolution konfrontierte das französische Volk dann mit dem Terror und dem Schrecken der Diktatur, angeführt von dem Gerechtigkeits- und Tugendfanatiker Robespierre. König Ludwig XVI., dessen Tod das Volk an einem Tag forderte, um ihm am folgenden wieder zuzujubeln, wusste zwischen seinen Anhängern und Gegnern kaum noch zu unterscheiden. Nach dem von Robespierre inszenierten Putsch vom Juni 1793 „fraß die Revolution ihre eigenen Kinder“. Danton und seine Anhänger endeten auf dem Schafott. Robespierre und Saint-Just folgten kaum vier Monate später. Auch der Kopf des Königs landete schließlich im Korb neben der Guillotine. Die Revolutionsregierung wird durch ein besitzbürgerliches Direktorium abgelöst und mündet in die Herrschaft Napoleons, der sich getragen von einem Volksentscheid 1804 selbst zum Kaiser krönt. „Dantons Tod“ zeigt einen Ausschnitt europäischer Geschichte, der in diesen Tagen so aktuell ist wie lange nicht mehr.

Dantons Tod

„Dantons Tod“ holt die Französische Revolution nach Moers. Das Schlosstheater Moers ist in die neue Spielzeit gestartet – mit einer spektakulären Inszenierung von Georg Büchners Drama „Dantons Tod“ über die Endphase der französischen Revolution. Eine Drehscheibe ist die zentrale Spielstätte. Hier sind es nicht die klaren Gesetze der Physik, sondern vielmehr die unkalkulierbaren der menschlichen Natur, die alle Figuren, und damit die Welt, immer wieder aus dem Gleichgewicht bringen. {…}
Weder der liberale, bürgerlich-saturierte Danton, der nach den bisherigen Gräueln nur noch seine Ruhe haben und das Volk gleichsam nach seiner Fasson glücklich werden lassen will, noch der fanatische Robespierre, der in seiner Hingabe an „die Sache“ der Revolution über Leichen geht und dabei von St. Just noch bestärkt wird, haben die Nöte und grundlegenden Bedürfnisse der Menschen wirklich im Blick. Das macht das „Volk“ umso interessanter. {…} Wer aber eigentlich ist „das Volk“? Wenn Heße am Ende so kraftvoll wie besessen die Fahne des Triumphes schwingt, ahnt man nichts Gutes.
(Wolfgang Platzeck, Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 11. September 2021)

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Ulrich Greb und der neuen Dramaturgin am Haus, Sandra Höhne, gelingt es vorzüglich und nachvollziehbar, den Büchner-Text von 1835 durch Text-Striche und Umstellungen so zu verdichten, dass die hiesige Spielfassung von einer ursprünglich opulenten Besetzung mit 30 Personen plus Männern und Frauen aus dem Volk auf nunmehr fünf Figuren (plus Volk) entsprechend der Größe des STM-Ensembles reduziert wurde. Und immer, wenn man glaubt, hier hatten Regisseur und Dramaturgin neue, aktuelle Texte eingefügt, wie zum Beispiel „Es ist Zeit die Masken abzureißen“ in Anspielung auf die heutige Corona-Pandemie, wird man beim Nachlesen in Büchners ungekürztem Originaltext eines Besseren belehrt.
(Olaf Reifegerste, Rheinische Post)

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Danton wird von einer Frau gespielt, von Emily Klinge, sehr leidenschaftlich, sehr lebenszugewandt. Robespierre, von Roman Mucha verkörpert, ist das Gegenbild, eine Art Tugend-Taliban. Das Bühnenbild ist besonders. Birgit Angele hat nicht nur eine kreisrunde, sich drehende Bühne geschaffen, es ist ein Plattenteller, aus dem Plattenspieler in der Mitte kommt Blut. Das zeigt eine Welt, die die Menschen völlig dominiert – sie dreht sich wann und wie sie will.
(Stefan Keim, WDR Mosaik)

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Die Polizey

DIE POLIZEY

NACH DEM FRAGMENT VON FRIEDRICH SCHILLER

Team

Mit: 
Joanne Gläsel 
Georg Grohmann 
Matthias Heße 
Emily Klinge 
Roman Mucha

Inszenierung & Textfassung: Anna-Elisabeth Frick
Bühne & Kostüme: Martha Pinsker
Musik: Hannes Strobl
Dramaturgie & Textfassung: Viola Köster

Premiere: 30. und 31. Oktober 2021, Schloss

 

 

Fotos: Jakob Studnar

In seinem Fragment „Die Polizey“, das seinem Umfang nach nicht mehr als eine Materialsammlung darstellt, geht es Friedrich Schiller um jene Institution, deren Image in der Gegenwart grob beschädigt worden ist. Als Grundlage nimmt er sich das Paris des 18. Jahrhunderts vor, um Fragen nach der Möglichkeit einer sittlichen Gesellschaftsordnung durch die Erziehung des Einzelnen nachzugehen. Denn wie könnte und wie sollte „das gute Gemeinwesen“ aussehen, das die Polizei als „Schützer von Recht und Ordnung“ zu gewährleisten hat? Und wie verteidigt man es? Was heißt „gut“ überhaupt? Im Polizeihauptquartier von Polizeileutnant Argenson gerät der Idealist Schiller mit seinem Glauben an Freiheit, Schönheit und das Gute schneller an seine Grenzen als ihm lieb ist…

In der Regie von Anna-Elisabeth Frick, die erstmals am STM inszeniert, entwickelt das Ensemble aus Schillers Fragment einen szenischen Organismus aus wiederkehrenden Figuren und Szenenfolgen, der nach ganz eigenen, absurd anmutenden Regeln funktioniert. Zwischen Krimi und Komödie pendelnd werden Verbrechen begangen und aufgedeckt und Fragen nach dem Verhältnis von sicherheitspolitischen Kontrollmechanismen und individuellen Freiheitsrechten aufgeworfen.

Das Theaterprojekt ist eine Kooperation von Regionalverband Ruhr, RuhrBühnen und der Ruhr Tourismus GmbH, gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.

Die Polizey

Die junge Regisseurin Anna-Elisabeth Frick hat am Moerser Schlosstheater aus Schillers Notizen-Konvolut ein Stück für unsere Tage entwickelt, bei dem wir schon am Eingang kontrolliert und überwacht werden – was wir ironischer Weise in Zeiten von Corona längst gewohnt sind und offensichtlich niemanden mehr stört. Bühne und Kostüme drücken in den nächsten 100 Minuten durchgehend die Doppelbödigkeit des Polizeiwesens aus: sehr unmilitiärische und zeitlos wirkende Uniformen aus türkis-farbenen Oberteilen und beigefarbenen Hosen, und selbst die Lampen, die Polsterhocker, der unbändig Bühnennebel verströmende, sogar Zigarettenschachteln und Halstücher, Aktenschränke und Hängregistraturen sind in diesem pastellfarbenen Türkis gehalten. (Bühne und Kostüme: Martha Prinsker). [...] Joanne Gläsel, Georg Grohmann, Matthias Heße, Emily Klinge und Roman Mucha tragen das Stück mit einer bravourösen Ensemble-Leistung. [...] Lebhafter Premierenbeifall. 
(Jens Dierksen, WAZ)

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Das Publikum sitzt auf zwei Seiten um eine längs gezogene Spielfläche, ein grüner Läufer zwei Längsseiten und dann fängt eine Art absurde Nummernrevue an. Zum Beispiel meldet ein Ehepaar seine Tochter als vermisst, die steht aber direkt daneben. Es gibt Gedanken wie, dass die Polizey auch nicht besser sein kann, als die Gesellschaft, die sie umgibt, oder dass es vielleicht eine neue Aufgabe der Polizey im ökologischen Zeitalter sein könnte, sich mit der Natur zu verbinden. Das Ensemble ist wie immer in Moers energiegeladen. 
(Stefan Keim, WDR 5 Scala)

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Der Bär, der nicht da war

der bär, der nicht da war

VON OREN LAVIE

Team

Mit: 
Matthias Heße 
Emily Klinge 
Georg Grohmann

Inszenierung: Andreas Mihan
Bühne & Kostüme: J. F. Schmidt-Colinet
Sound: Peter Breitenbach
Dramaturgie: Viola Köster

Premiere: 21. November 2021

 

 

Fotos: Jakob Studnar

Ein Juckreiz kratzt sich an einem Baum und wird zu einem Bären. Kurz darauf wächst ein wundersamer Wald um ihn herum, und er macht sich auf den Weg, um herauszufinden, wer er ist. Auf seiner Reise begegnen ihm andere: Ein bequemes Bergrind etwa, ein pingeliger Pinguin und ein träges Schildkröten-Taxi, die einen jeweils ganz eigenen Blick auf die Welt und die Dinge haben. Und so kommt der Bär durch Begegnungen und auf Umwegen allmählich sich selbst auf die Spur. „Der Bär, der nicht da war“ ist eine zauberhafte Geschichte über die Suche nach der eigenen Identität und ein humorvoll-poetisches Roadmovie.

Der israelische Autor Oren Lavie ist Regisseur, Musiker und Komponist. „Der Bär, der nicht da war“ ist sein erstes Kinderbuch. Es wurde in über 20 Sprachen übersetzt und an ebenso vielen Theatern europa- und weltweit aufgeführt.

Andreas Mihan schreibt als Autor ebenfalls Texte für Kinder, die er oftmals selber auf phantasievolle und verspielte Weise auf die Bühne bringt. „Der Bär, der nicht da war“ ist seine erste Regiearbeit am Schlosstheater Moers und sollte eigentlich schon im letzten Jahr Premiere feiern. Durch die Corona-Pandemie wurde die Produktion auf die aktuelle Spielzeit verschoben.

der bär, der nicht da war

Was seht ihr? Wie findet ihr das? Was könnte als nächstes passieren? Und Keine vierte Wand, nirgendwo. Die Spielfläche liegt länglich zwischen zwei Tribünen. Die Spieler*innen sind mittendrin und sie tun auch gar nicht erst so, als wüssten sie das nicht. Das Publikum wird im Verlaufe des Stückes immer wieder einbezogen und befragt: sie hören zu und unterhalten sich mit ihren Zuschauer*innen, was auch schon mal länger dauern kann. Aber bestimmen nicht auch die Blicke der Zuschauenden das, was auf der Bühne passiert? Wenn aus einem Kratzen ein Bär werden kann, wenn aus einem Stück Holz ein Wald wird, wenn alle mal der Bär sein können, dann zeigt man Theatermechanismen auf und lässt eben alle, die im Raum sind, aktiv daran teilhaben. Und doch begleitet man diesen Bären, der wissen will, wer er eigentlich ist und warum er überhaupt da ist, mit Interesse und Freude und wird hereingezogen in die Geschichte. Der ist nämlich ganz nett, der Bär, genau wie die liebenswert abgedrehten Figuren, die er so trifft. Wer bestimmt eigentlich, wer wir sind – ob im Theater oder im echten Leben? Ein Stück über Selbstermächtigung und Mut und darüber, dass der liebevolle Blick von außen der beste Weg zum Happy End ist. 

Jury Westwind-Festival

Der Bär stieg aus dem Bühnenboden im pinken Plüschfell empor und wusste nicht, ob er der erste oder letzte Bär ist. Auf der Suche nach sich selbst flitzte er umher und begab sich in den Wunderwald, kurzerhand von den Schauspielern aus holzigen Kleiderständern aufgebaut – ganz so, wie die Kids es Zuhause machen können. Auf seinem Weg begegnete der Bär pingeligen Pinguinen, einem Salamander, gespielt von Emily Klinge, der ihn zum Brüllen provozierte, und einer singenden Kuh: „Bin ich ich oder bin ich du? Völlig egal, ich bin die Blues-Kuh.“ Immer wieder handelten die Schauspieler auf lustige wie philosophisch grandiose Weise ihre Rollen aus. Und: Die Kinder lernten, dass ein Bär auch eine Bärin sein kann und nicht immer bärenstark sein muss. Ob der Bär am Ende wirklich laut brüllt und herausfindet, wer er ist, warum Klobürsten blühen und Schildkröten Rollbretter brauchen, sei hier nicht verraten. Selbst Erleben ist empfohlen.
(Larissa Wettels, NRZ)

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Alle drei Schauspieler sind nun in der Rolle des Bären zu sehen. Noch farbenfroher und dynamischer wird die Geschichte durch diese Variante. Mal geht es wild, rasant und witzig zu, mal ist die Stimmung verträumt, poetisch und fast meditativ. Auf jeden Fall ist mächtig was los und es darf gestaunt werden: es wird getanzt und gesungen, es gibt Geräusch- und Lichteffekte. Aus dem Bauch der Bühne werden Gegenstände hervorgezaubert. Auf der Reise durch den Wunderwald und zu sich selbst begegnet der Bär einem pingeligen Pinguin und einem trägen Schildkröten-Taxi, die einen jeweils ganz eigenen Blick auf die Welt und die Dinge haben. Die Geschichte entsteht scheinbar spontan und improvisiert beim Spielen und teilweise unter Mitwirkung der Zuschauer. 
(Ulrich Rauhut, Rheinische Post)

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König Ödipus

König Ödipus

NACH SOPHPOKLES

Team

Mit: 
Roman Mucha 
Joanne Gläsel 
Matthias Heße 
Georg Grohmann 
Emily Klinge

Inszenierung & Sounds: Ulrich Greb
Bühne: Birgit Angele
Kostüme: Jochen Hochfeld
Dramaturgie: Viola Köster

Premiere: 23. Februar 2022, Schloss

 

 

Fotos: Jakob Studnar

Die Pest bricht aus in Theben mit katastrophalen Folgen für Mensch, Tier und Natur. König Ödipus, der einst als einziger das Rätsel der Sphinx zu lösen vermochte und so die Stadt befreite, macht das Krisenmanagement einmal mehr zur Chefsache. Durch einen Orakelspruch erhält er den Hinweis, dass der ungesühnte Mord an seinem Vorgänger die Epidemie verursacht habe. Unverzüglich beginnt er damit den Mord aufzuklären, um keine 24 Stunden später zu erkennen, dass er selbst der Täter, der Getötete sein Vater und dessen Frau Iokaste, seine Mutter und jetzige Ehefrau ist.

Die Geschichte ist über 2.400 Jahre alt und findet gleichzeitig genau jetzt statt, in einer Gegenwart, in der die Frage nach den irreversiblen Kipp-Punkten im globalen Erdsystem drängender ist als je zuvor. So wird uns in König Ödipus vor Augen geführt, dass es nicht ausreicht, ein vernunftbegabtes Wesen zu sein. Wir wissen, was zu tun ist, was hindert uns, es zu tun?

Die Inszenierung „König Ödipus“ passte mit ihrem Ausgangsszenario beklemmend genau in die Spielzeit 2021/22, in der die Corona-Pandemie weiterhin virulent war und Russland am Tag nach der Premiere den Krieg gegen die Ukraine begann. 

könig ödipus

Ulrich Greb inszeniert „König Ödipus“ in Moers in der griffigen, rhythmischen und klaren Übersetzung Dietrich Ebeners. Und zunächst einmal bietet das Ensemble ausgezeichnetes Sprechtheater. Ödipus ist verkörpert von Roman Mucha, ein energetischer junger Politikertyp, der sich gern für seine vergangenen Verdienste feiern lässt. Er hat ja das Rätsel der Sphinx gelöst, was die Chorführerin oft wiederholt, gefolgt von eingespieltem Applaus wie in einer amerikanischen Fernsehsoap. Später bringt er alles selbst ins Wanken. Er ist der Hirte, der die Taten des Königs aufdeckt. Vor der Verwandlung hat Ödipus die gepflasterte Bühne aufgebrochen und ist in den von gelben Schwaden durchfluteten Raum darunter geglitten. Voller Schleim, nur mit einer Unterhose bekleidet, taucht er wieder auf, wie ein neugeborenes Kind. Nun verändert die Inszenierung ihre Grundstimmung, wird explosiver, körperlicher, gefährlicher. Und entwickelt immer wieder Momente boshafter Ironie. Das Schlosstheater Moers bietet eine rundum überzeugende heutige Lesart des „Ödipus“, abgründig, politisch, mit Sprachgefühl und starken Bildern, dabei sehr unterhaltsam. 
(Stefan Keim, Theater der Zeit)

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Am 23. Februar schaffte ich es in die Premiere von „König Ödipus“ in der Regie von Ulrich Greb am Schlosstheater Moers. Am Vorkriegsabend stelzten also der Herrscher von Theben und sein Herrscherclan über die Bühne, auf hohen Kothurnen, und ignorierten dabei nach Kräften die drängenden Probleme und ziemlich offensichtlichen Ursachen für die Krankheit der Stadt. Unter dem Bühnenboden blubberte die Erde und drang als grünlicher Schleim über die Steinfliesen. Und am Ende schaffte Kreon Ordnung im fragilen Staat, mit harter Hand, da war der Moskauer Herrscher schon nicht mehr fern von Theben, und animierte Panzer rollten durch das Theater. Ich sah eine schlüssig zugespitzte Inszenierung, mit beeindruckendem Ensemble, starken Bildern – und einem etwas offen geratenen Ende, sei es, dass so viele Stränge sich nicht einfach zusammenfügen lassen, sei es, dass die Weltlage nun einmal bedrohlich offen ist. 
(Detlev Baur, Deutsche Bühne)

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Regisseur Ulrich Greb übernimmt eine antike Tradition und lässt sein Ensemble auf 20 cm hohen Stelzen agieren. Damit sind schnelle Gänge unmöglich; die Sprache rückt ins Zentrum. In einer eindringlichen Szene zieht ein völlig desorientierter und verzweifelt brüllender Ödipus glibberig grüne Fäden aus einem offenbar verseuchten Wasser. Das Ensemble ist gut aufgelegt und spielt das Stück zunächst als klar erzählten Krimi, dann als surreale Warnung vor dem fatalen Umgang mit der Natur. Jedenfalls mit viel Raum für eine Neuinterpretation des alten Mythos. 
(Martin Burkert, WDR Scala)

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Es ist wie ein böser Albtraum, dessen Höhepunkt sich Regisseur Ulrich Greb bis zum Schluss aufspart, um mit grellen Farben, mit Bühnennebel, monoton dröhnenden Bässen und noch mehr Glibber immer tiefer ins Surreale vorzustoßen. Die Erhabenheit, die Ödipus (Roman Mucha), Iokaste (Joanne Gläsel), Kreon (Matthias Heße), Teiresias (Georg Grohmann) und die Chorführerin (Emily Klinge) zu Beginn der Inszenierung vermitteln, basiert allerdings auf einem anderen, sehr fragilen Gefüge. Jeder Schritt auf den mindestens 30 Zentimeter hohen Holzgestellen, die Kostümbildner Jochen Hochfeld den Schauspielern an die Füße geschnallt hat, kann sie auch stürzen lassen. Roman Mucha und Emily Klinge spielen sich in der Inszenierung nach vorne. Emily Klinge gelingt es, als singende Chorführerin Stimmungen zu vermitteln, mal rockend anpeitschend, mal nur mit Lauten andeutend. Mucha füllt die Bandbreite des Ödipus aus: Er ist der über alles erhabene König, der am Ende nur in Unterhose bekleidet sich im Glibber windet. 
(Anja Katzke, Rheinische Post)

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Die Brutalität der Schönheit

Die Brutalität der Schönheit

NACH MOTIVEN DES FILMS „THE SQUARE“ VON RUBEN ÖSTLUND

Team

Mit: 
Joanne Gläsel 
Georg Grohmann 
Emily Klinge 
Matthias Heße 
Roman Mucha

Inszenierung: Paulina Neukampf
Bühne und Kostüme: Sarah De Castro| Paulina Neukampf
Sound: Sarah De Castro
Dramaturgie: Sandra Höhne

Premiere: 12. Mai 2022, Wallzentrum

 

 

Fotos: Lars Heidrich

Für fünf Millionen Euro wird ein Kunstwerk angekauft, das Menschen einen Raum gibt, um Hilfe zu bitten und Hilfe zu leisten. 4×4 Meter Markierung im öffentlichen Raum: „The Square“ ist Kunstwerk, soziales Experiment und Versprechen im einem. Wer die markierte Fläche betritt, ist der Realität enthoben, befindet sich in einer Zone, in der alle gleich sind, die gleichen Rechte und Pflichten haben. Das Quadrat zwingt die Besucher*innen dazu, den Blick nicht abzuwenden, sondern einander anzusehen und bedingungslos zu helfen, es nötigt zur Achtsamkeit. Doch was bedeutet diese Versuchsanordnung in der „echten“ Welt? Wie lässt sich elitärer Kunstanspruch auf eine Wirklichkeit anwenden, deren soziale Ungleichheit immer größer wird? Und wo verlaufen die Grenzen unserer Mitmenschlichkeit?
Frei nach Motiven des preisgekrönten Films „The Square“ von Ruben Östlund wagt die Inszenierung einen selbstironischen Blick auf „soziale Kunst“ und erzählt von Figuren, die zwischen Macht und Ohnmacht mit der eigenen Verantwortung ringen. Paulina Neukampf inszeniert zum ersten Mal am Schlosstheater und konzipiert mit „Die Brutalität der Schönheit“ im Wallzentrum eine immersive Ausstellung über unser Zusammenleben, die an diskreter Brutalität kaum zu überbieten ist.

brutalität der schönheit

Die „Museumsführung“ hat brillante Momente, etwa, wenn Roman Mucha als Adonis-Standbild ein Handy vor dem Gemächt hängen hat, oder wenn Georg Grohmann die großen Glas-Schiebetüren an einem Ausgang des Wallzentrums als Kunst („Blick auf die Stadt“) verkauft. Noch stärker als die eindringlichen Szenen ist allerdings der Eindruck, der am Ende der kurzweiligen Aufführung entsteht. Auf der einen Seite steht das Museum, das mit Hilfe zweier Marketing-Experten mit zweifelhaften Methoden versucht, einen so sehr gewünschten Platz im Internet zu finden („Wir sind viral“). Auf der anderen Seite steht das Quadrat, in dem die Menschen füreinander da sind und sich der Sorgen und Probleme anderer annehmen. „Die Brutalität der Schönheit“ ist eine eindringliche, wunderbare Parabel auf die Macht des Internets und die emotionale Kälte unserer Tage – und eine großartige Hommage an das Wallzentrum. 
(Matthias Alfringhaus, NRZ)

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Wie wird ein Objekt „Kunst“? Dadurch, dass es im Museum steht? Was macht die immer stärkere Ökonomisierung mit dem Kunstbetrieb, und den Menschen, die dort arbeiten? Und was ist die Rolle derer, die Kunst betrachten und erleben? Werden sie automatisch Teil eines Werkes, ist ihnen eine reine Konsumentenrolle zugewiesen, sind sie gar notwendiges Übel? Diese Fragen stellt auch „Die Brutalität der Schönheit“ direkt, witzig und – durch die vielen Verzahnungen und Übergänge – durchaus raffiniert. „Die Brutalität der Schönheit“ ist ein besonderer Theaterabend geworden, dicht aber entspannt, lebensnah aber dezidiert künstlich. Der Drive der Aufführung, der Erfindungsreichtum, die nie aufgesetzten ironischen Brechungen und der dezidierte Umgang mit Schauspieler und Rolle einerseits und der Rolle und dem Rollenverständnis des Publikums andererseits reißen mit. Das präzise, leidenschaftliche und vor allem lebendige Spiel von Joanne Gläsel, Georg Grohmann, Matthias Hesse, Emily Klinge und Roman Mucha verstärken diesen Eindruck noch, die Sounds und Kostüme von Sarah De Castro spielen klug mit, setzen Rahmen, drängen sich aber nie in den Vordergrund. Keine Eitelkeit, aber auch keine Berührungsängste, nirgendwo. Der Prozess der Abschaffung der Inhalte als Inhalt. Theater für unsere Zeit. 
(Andreas Falentin, Die deutsche Bühne)

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