Spielzeit 24/25: komplEXITät
Die Europawahl im Juni hat eines sehr deutlich gemacht: Der andauernde multiple Krisen- modus macht vielen Menschen Angst und lässt sie an der Tragfähigkeit demokratischer Systeme zweifeln. Im letzten Jahr haben wir Bertolt Brecht zitiert: „So wie es ist, bleibt es nicht“. In diesem Jahr ergänzen wir mit „So wie es bleibt, ist es nicht“ und wollen Heiner Müller optimistisch interpretieren, dass es an uns liegt, die demokratische Idee am Leben zu erhalten.
Wie schon bei Franz Kafka in seiner Erzählung Der Bau parabelhaft zugespitzt, ist der „wohlgelungene“ gesellschaftliche Schutzraum dabei, sich in einen Bunker zu verwandeln. Es ist offensichtlich, dass neue Strategien erforderlich sind, dem selbstverschuldeten Dilemma zu entkommen. KomplEXITät steht daher als Überschrift über unserer kommenden Spielzeit, und wir haben uns vorgenommen, einige Exit- Strategien künstlerisch zu untersuchen.
Als Eröffnungspremiere der Spielzeit 2024/25 wird die bekannteste Komödie von William Shakespeare EIN SOMMERNACHTSTRAUM gespielt. Ulrich Grebs Inszenierung ist in mehrfacher Hinsicht besonders. Erstmals steht das Schauspielensemble gemeinsam mit Mitgliedern des Jungen Ensembles auf der Bühne. Zudem finden die Aufführungen sowohl im Schloss als auch im von Birgit Angele gestalteten Schlosspark statt und nutzen mit dem Einbruch der Dämmerung die „blaue Stunde“, die die märchenhafte Atmosphäre des Stücks unterstreicht. Die Zusammenarbeit von professionellen Schauspieler*innen mit Laien aus dem Jungen Ensemble war ein zentraler Aspekt der Produktion und förderte den Austausch zwischen erfahrenen und jungen Künstler*innen. Die maßgeblich von ENNI sowie der Sparkasse am Niederrhein geförderte und vom Förderverein Freunde des Schlosstheaters e.V. sowie dem Lions Club Moers unterstützte Produktion war ein gelungener und vom Publikum begeistert aufgenommener Spielzeitauftakt und zeigte einmal mehr die Vielseitigkeit und das kreative Potential des STM.
Im Oktober 2024 folgt die Inszenierung HAROLD UND MAUDE in der Kapelle. Regisseurin Constanze Hörlin, die erstmals am Schlosstheater tätig ist, inszeniert die Bühnenfassung des 1971 erschienenen Kultfilms von Hal Ashby. Die Liebesgeschichte zwischen dem 18-jährigen Harold und der 80-jährigen Maude wurde von Joanne Gläsel und Leonardo Lukanow gespielt und war eine schauspielerische Meisterleistung. Für Joanne Gläsel war es ihre letzte Rolle als festes Ensemblemitglied, da sie ab Januar 2025 in den Ruhestand ging und fortan als Gast im Schlosstheater zu sehen sein wird. Bühne und Kostüme in der für die Geschichte höchst passenden Kapelle wurden von Katharina Grof gestaltet. Die Aufführung entwickelte sich zum Publikumsliebling und wird bis 2025 25 Mal gespielt.
Das Kinder- und Familienstück wird erneut von Kathrin Leneke, der Leiterin des Jungen Schlosstheater, inszeniert. ES RAPPELT IM KARTON, ein Theaterstück von Dita Zipfel und Finn-Ole Heinrich, erzählt die Geschichte einer Leuchtkäferin, die trotz der natürlichen Gegebenheiten fliegen lernen möchte, und ihrem Freund, einem Frosch, der beschließt, Vegetarier zu werden. Zusammen mit einer Fliege finden sie sich eingesperrt in einem Karton wieder und hinterfragen dabei die Regeln der Natur. Die Aufführung findet zum ersten Mal im Bollwerk 107 statt, da das St. Barbara Jugendheim in Meerbeck abgerissen werden soll. Der große Bühnenraum bietet einen idealen Rahmen für den von Ausstatterin Sandra Linde liebevoll gestalteten riesigen Pappkarton. Zusammen mit den Aufführungen im Januar 2025 wird das Familienstück wieder einen Publikumsrekord erzielen. Es zeigt sich, dass gerade im Kinder- und Jugendbereich durch eine Erweiterung der Platzkapazität die Reichweite des Theaters deutlich erweitert werden kann.
Für seine Abschiedsinszenierung hat Ulrich Greb die späte Erzählung Der Bau von Franz Kafka gewählt. Ein Tier – vielleicht eine Art Dachs oder Maulwurf – hat sich eine labyrinthische, unterirdische Festung gebaut, um in einem zunehmend zwanghaft werdenden Gedankenstrom festzustellen, dass der perfekte Schutzraum zum perfekten Gefängnis wird, wenn alle als Feinde gesehen werden.
Ja, und dann wird das Schlosstheater Moers 50. Das wollen wir mit der ganzen Stadt und den Menschen, die das Theater vor, auf und hinter der Bühne zu dem gemacht haben, was es ist, angemessen feiern.
Und noch eine gute Nachricht: Das Theater soll eine neue, klimaneutrale Spielstätte bekommen, um die seit 2017 immer drängender werdenden Raumprobleme zu lösen. Das innovative Konzept konnte auch in Berlin und Düsseldorf überzeugen, so dass achtzig Prozent der Baukosten gefördert werden. Das neue Gebäude direkt gegenüber vom Schloss passt nicht nur perfekt zum außergewöhnlichen Profil des Theaters, sondern bietet darüber hinaus die Möglichkeit, neue ökologische Technologien zu präsentieren und Nachhaltigkeit unmittelbar erlebbar zu machen. Ein „Living Lab“ mitten in Moers, das Lust auf Zukunft macht.