
Spielzeit 23/24
Es reicht! Keine nacherzählten Katastrophen mehr. Wir schalten um auf den Abwehrzauber: Maskierung, Verkörperung, Verkleidung, Verwandlung und Verstellung als Werkzeuge, um der Verwirrung, dem Kontrollverlust und dem Diskurslärm trickreich und mit der Kraft der Fiktion entgegenzutreten.
Aus taktischen Gründen bleibt die kommende Spielzeit ohne Titel, aber mit Plan: „Was wäre, wenn…“ als Initialzündung der Verzauberung, als Ticket für die Reise in andere Welten. Zur Erholung von dieser, zur Unterhaltung, ja, unbedingt und außerdem: um handlungsfähig zu bleiben!
So viel sei verraten: Für unseren artistischen Gegenzauber arbeiten wir mit starken, krisenerprobten Texten, verfügen über ein großartiges, spielwütiges Ensemble und sind uns mit Brecht sicher: „So wie es ist, bleibt es nicht.“

Der gute Mensch von Sezuan

der gute mensch von sezuan
VON BERTOLT BRECHT
MUSIK VON PAUL DESSAU IN EINER BEARBEITUNG VON „RECURSION“
Team
Mit:
Magdalene Artelt
Matthias Hesse
Leonardo Lukanow
Ludwig Michael
Marissa Möller
Inszenierung: Ulrich Greb
Bühne & Kostüme: Birgit Angele
Musik: Steven Koch | Jan Krause | Christopher Retz
Video: Felix Hecker
Dramaturgie: Sina Corsèl
Premiere: 31. August 2023, Schloss
Fotos: Jakob Studnar
Gut handeln in einem System, das auf Profitmaximierung und Konkurrenz aufgebaut ist? Der Kapitalismus muss wachsen und, einem biologischen Organismus ähnlich, fressen um stabil zu sein. Dabei bringt er sich und seine Umwelt zunehmend in Gefahr. Brecht zeigt dieses Dilemma in all seinen Facetten in seiner raffinierten Parabel und zieht damit nicht nur den Kapitalismus sondern auch unsere Position in diesem System in Zweifel.
Die Überlebensfrage schwappt über die Bühne in den Zuschauerraum und zeigt ungebremst und lustvoll die Notwendigkeit von verantwortungsvollem Handeln: „Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den Schluß! / Es muß ein guter da sein, muß, muß, muß!“ Auch die Musik von Paul Dessau ist aktiver Teil dieser dynamischen Versuchsanordnung. Die Formation „Recursion“ – Improviser in Residence 2023 des moers festival – bringt in Interaktion mit dem Schauspielensemble ihre ganz eigene elektronische Interpretation von Paul Dessaus Bühnenmusik ins Spiel.
der gute mensch von sezuan

In Moers wird die Frage, was überhaupt die kapitalistische Welt ist und was sie umfasst, mit einer beeindruckenden Bildmetapher beantwortet. Ausstatterin Birgit Angele hat einen gewaltigen Ballon entworfen, der einen nach außen gestülpten Darm mit Divertikel, Anus, blutenden Hämorrhoiden – inklusive ständiger Flatulenzen – darstellt. (Hans-Christoph Zimmermann, Die Deutsche Bühne)
pressestimmen

Die Inszenierung von Bertolt Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ beeindruckt mit dramatischer Darstellung, skurrilen Kostümen und elektronischen Klängen. Das Schlosstheater-Ensemble begeistert das Publikum. (Jutta Langhoff, Rheinische Post)
pressestimmen

Am Ende fiel kein Vorhang und es blieben auch kaum Fragen offen – der wohl berühmteste Vers des „Guten Menschen von Sezuan“ von Brecht hatte Regisseur und Hausherr Ulrich Greb schon gleich zu Anfang untergemischt, kleingehäckselt. Ganz groß dagegen der Clou dieser Inszenierung: ein XXL-Ballon mit den Maßen eines Hauszelts, der die gesamten zwei Stunden lang über die Bühne von Birgit Angele wabert. Sie hat auch die fantastischen Kostüme entworfen hat – alle Akteure, auch die Musiker, tragen Boots und weiße Hosen. (Jens Dirksen, WAZ)
pressestimmen


Marissa Möller und Magdalene Artelt sind für die Produktion an ihre einstige Wirkungsstätte zurückgekehrt – ein echter Gewinn. Beide spielen mit spürbarer Lust und noch spürbarerem Können. Auch die beiden „Neuen“ werden dem Publikum des Schlosstheaters sicher noch viel Freude machen: Ludwig Michael gibt einen kantenscharfen Flieger Yang Sun, Leonardo Lukanow übernimmt gleich sechs Rollen, ohne auch nur eine einzige wie die andere zu behandeln. (Jutta Langhoff, Rheinische Post)
pressestimmen


Verbrechen und Strafe

VERBRECHEN UND STRAFE
VON FJODOR DOSTOJEWSKIJ
IN DER ÜBERSETZUNG VON SWETLANA GEIER
Team
Mit:
Sumru Altug
Lola Fuchs
Joanne Gläsel
Joshua Hupfauer
Johanna Kroneck
Ludwig Michael
Inszenierung: Carlotta Salamon
Bühne & Kostüm: Lara Hohmann
Dramaturgie: Sandra Höhne
Premiere: 26. Oktober 2023, Kapelle
Fotos: Jakob Studnar
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie wird nicht verliehen, kann nicht entzogen werden. Würde ist jedem Menschen qua Geburt gegeben. Aber soll dieses Prinzip wirklich auch für die kaltherzige Wucherin Aljona Iwanowa gelten? Der überragende Jurastudent Raskolnikoff sieht in ihr nicht mehr als eine überflüssige Laus. Er könnte seine genialen Ideen verfolgen, was ihm fehlt, ist Geld. Sie hat es. Ein schlechter Mensch weniger auf der Welt, macht diese in der Logik Raskolnikoffs zu einem besseren Ort. Mit einem Beil schlägt er der alten Frau den Schädel ein. Der Mord an ihrer zufällig anwesenden liebenswerten Schwester? Ein Kollateralschaden. Raskolnikoff möchte so gerne der sein, für den er so große Lust hat, sich zu halten. Kalt, berechnend, überlegen, wäre da nicht dieses verfluchte Gewissen, das ihn nach der Tat verfolgt.
Carlotta Salamon inszeniert den Thomas Mann zufolge größten Kriminalroman aller Zeiten und zeigt, was passiert, wenn Menschen andere Menschen als minderwertige Subjekte einstufen. Dostojewskij sah eine schreckliche Welt heraufkommen, in der alles erlaubt ist.
Er fürchtete, wenn alles erlaubt ist, geschieht auch alles.
verbrechen und strafe

Die auf die gefeierte Neuübersetzung von Swetlana Geier zurückgreifende Inszenierung ist wieder, gleichsam Moers-typisch, spektakulär, fordernd, auf sehenswert irritierende Weise gegen den Strich gebürstet und trotzdem werktreu. In der Außenspielstätte „Kapelle“ an der Rheinberger Straße konzentriert sich die 145-minütige Bühnenfassung des 1050 Seiten starken Romans weitgehend auf den Krimi-Strang. Der arme Student Raskolnikow hat bei einem Raub die Wucherin Aljona Iwanowa und (ein lässlicher Kollateralschaden) deren Schwester erschlagen. In der Logik des jungen Intellektuellen, der sich den großen, perspektivisch denkenden Männern der Weltgeschichte verwandt fühlt, war die Pfandleiherin eine schädliche Laus, ihre Eliminierung ein Dienst an der Gesellschaft. Doch nach der Tat setzt ihm nicht nur Untersuchungsrichter Porfirij Petrowitsch zu; ihn quälen nie gekannte Gewissensbisse. In der kleinen Kapelle, zwischen Kneipentheke und stilisierter Newa-Aue, wird dabei nicht nur der Doppelmord im gesellschaftlichen Kontext verhandelt. Permanent tropfendes Wasser und ein Video über Waldbrände verweisen auch auf die prekäre Lage der Umwelt. Das Verbrechen an der Natur ist das vielleicht größte Verbrechen an der Menschheit. (Wolfgang Platzeck, WAZ)
pressestimmen


Wenn das kleinste Stadttheater der alten Bundesrepublik sich an die ganz großen Stoffe wagt, führt das meist zu herausragenden Ergebnissen. Auch Carlotta Salamon gelingt mit der Dramatisierung von Dostojewskijs Mammut-Roman eine eigenwillige, überzeugende Mischung aus anspruchsvollem Diskurstheater und unterhaltsamem Krimi. Salamon konzentriert sich in ihrer – naturgemäß stark gekürzten – Theaterfassung des Romans auf die Krimi-Handlung, ohne die zahlreichen philosophischen und religiösen Motive, die in Dostojewskis 1866/67 erschienenem erstem großem Roman schon genauso auftauchen wie in seinen späteren Werken, zu vernachlässigen.
Im Verlauf des Theaterabends entwickelt sich allein durch die „Schnittfassung“ eine spannende Diskussion über Moral, Mitleid und Eigensinn, über Egoismus und die mangelnde Nachhaltigkeit von Anteilnahme. Großartig, ja, sogar vergnüglich ist das versteckte Duell zwischen dem von Joanne Gläsel vom Band gesprochenen Staatsanwalt Porfirij Petrowitsch und dem nervösen, aber längst nicht geständigen Raskolnikow. Vielleicht, sinniert der zunehmend von seinen Skrupeln in den Wahnsinn getriebene Mörder, hatte sein Verbrechen nicht die richtige ästhetische Form? Aber warum sollte ein Bombardement eine ehrenwertere Form sein? (Dietmar Zimmermann, Theater pur)
pressestimmen


Flunkeln im Dunkeln (UA)

FLUNKELN IM DUNKELN (UA)
VON KAI PANNEN
Team
Mit:
Matthias Heße
Leonardo Lukanow
Inszenierung: Kathrin Leneke
Bühne & Kostüme: Sandra Linde
Musik: Emma Kaufmann
Video: Paul Linde
Dramaturgie: Sandra Höhne
Theaterpädagogik: Emma Kaufmann
Premiere: 23 und 26. November 2023, Katholisches Jugendheim St. Barbara Moers-Meerbeck
Fotos: Bettina Engel-Albustin
Gunnar, der kleine Tiefsee-Anglerfisch lebt einsam und hungrig in der stillen, ewigen Dunkelheit. Mit seiner Leuchtangel muss er Fische anlocken, um diese zu fressen. Die Angel leuchtet aber nur, wenn er lügt. Sagt er die Wahrheit, geht das Licht aus. „Lügen haben kurze Flossen“, so wurde Gunnar oft von anderen kleinen Meerestieren geärgert. Aber was soll er tun?! Die Wahrheit macht nicht satt. In Enrico, dem kleinen Kraken, findet Gunnar einen Freund, der leidenschaftlich gern flunkert. Die eine Übertreibung, die andere Untertreibung, eine kleine Erfindung hier, ein kleines Weglassen da. Damit lässt es sich in der (Unterwasser-) Welt einfach angenehmer leben, findet Enrico. Und welches angeblich so schlaue Krustentier hat gesagt, man soll auch dann nicht lügen, wenn ein hungriger Hai hinter Dir und Deinem besten Freund her ist?
FLUNKELN IM DUNKELN (UA)


Die Reaktion der Kinder zeigte eindrucksvoll, wie einzigartig das Stück und die Inszenierung offensichtlich Mädchen und Jungen erreicht haben. Sie hören zu, sind leise und ganz Ohr, dann wiederum gehen sie lautstark mit und interagieren mit den Figuren auf der Bühne, sei es in Form von Antworten geben oder Mitsingaktionen. Nach rund einer Stunde war die Vorstellung zu Ende. Doch zumindest dieses Publikum hätte noch mehr gewollt und forderte „Zugaben“. Stück und Inszenierung sind wunderschön poetisch gestaltet. Dazu enthält der Text viel Witz und schöne Wortspielereien wie zum Beispiel „Lügen haben kurze Flossen“ und „Ich lebe von Wasser und Liebe“. Mit ihrem Bühnenbild, das aus silberfarbenen langen Lametta-Fäden besteht, die als Aushang und für Gassen, aber auch als Rückwand mit einer dazwischenliegenden Projektionsfläche für Videoeinspielungen (Paul Linde) dient, hat Sandra Linde eine faszinierende, lila-blau-gefärbte Unterwasserwelt geschaffen. Darin erlangen Gunnars gesprochene Worte „Die Tiefsee ist der schönste Ort der Welt“ reale Bildhaftigkeit. (Olaf Reifegerste, Rheinische Post)
pressestimmen



Der Diener zweier Herren

DER DIENER ZWEIER HERREN
VON CARLO GOLDONI
Team
Mit:
Lena Entezami
Joanne Gläsel
Matthias Heße
Leonardo Lukanow
Ludwig Michael
Inszenierung: Ulrich Greb
Bühne: Birgit Angele
Kostüme: Tanja Maderner
Dramaturgie: Sina Corsèl
Premiere: 22. Februar 2024, Schloss
Fotos: Jakob Studnar
Kaum hat der Kaufmann Pantalone die Verlobung seiner Tochter Clarice mit dem Arztsohn Silvio bekanntgegeben, kündigt sich der tot geglaubte Geschäftspartner Federigo Rasponi an. Der ursprüngliche und offenbar quicklebendige Verlobte wird wieder ins Amt gebracht – ist er doch für Pantalone die wesentlich bessere Partie. Unter den Kleidern des Federigo verbirgt sich jedoch seine Schwester Beatrice, die dringend an Bargeld kommen muss, um ihren flüchtigen Geliebten zu unterstützen. Ihr neu eingestellter Diener Truffaldino ist allerdings keine wirkliche Hilfe. Truffaldino, auf seinen Lohn wartend und mit knurrendem Magen, lässt sich ohne Beatrices Wissen von einem weiteren, frisch angereisten Herrn als Diener einstellen. Das bringt ihm zumindest die Aussicht auf ein doppeltes Einkommen und als Diener zweier Herren bald in immer kompliziertere und absurdere Situationen, die er, stets am Rande der Überforderung, mit Frechheit zu parieren versucht.
„Der Diener zweier Herren“ aus dem Jahr 1746 ist eine der bekanntesten Komödien der Commedia dell’Arte. Nach dem Erfolg des Stücks gab Carlo Goldoni seinen Beruf als Advokat zugunsten des Theaters auf, zog von Italien nach Frankreich und wurde einer der erfolgreichsten Theaterautoren des 18. Jahrhunderts.
...
der diener zweier herren
...
Goldoni weist mit dem Stück weit über das „Theater der Kunstfertigkeiten“ hinaus: Hinter den Typen und Masken lässt er das Thema der menschlichen Würde sichtbar werden. Wie können Macht und Geldgier ausgetrickst werden und so am Ende doch noch die Sehnsucht nach der großen Liebe – und einem vollen Magen – gestillt werden? Wir beobachten große und kleine Geschäfte, prekäre Arbeitsverhältnisse und vor allem das moralisch keineswegs korrekte Vergnügen, überforderten Überlebenskünstler*innen beim Scheitern zuzusehen.
der diener zweier herren


Wenn Brighella einmal seufzt, „Man weiß ja gar nicht mehr, woran man mit diesem Stück ist“, dann stimmt das und ist, bezogen auf Grebs Inszenierung, höchstes Lob zugleich. Dieser Goldoni ist eine einzige Wiederentdeckung längst verloren geglaubten Komödiantentums. (Wolfgang Platzeck, WAZ)
pressestimmen


Birgit Angeles geniales Bühnenbild, ein an Boden und Decke verspiegelter Spielkasten, verjüngt sich nach hinten auf gerade einmal 80 Zentimeter. Eine normale Haltung, ein würdevoller, auch moralisch aufrechter Gang ist nur ganz vorn möglich, doch da droht der Abgrund in Gestalt einer Unterbühne, von der das Ensemble mittels kleiner Trampoline immer wieder in die Kiste springt oder besser: ins Leben geschleudert wird. (Wolfgang Platzeck, WAZ)
pressestimmen

Matthias Heße ist ein hungerleidender Mehrfach-Minijobber, und gleichzeitig ohne museal zu sein, fühlt man sich tatsächlich ins 18. Jahrhundert auf einen italienischen Marktplatz versetzt, wo man sich über die lustigen Verrenkungen der Darsteller im viel zu kleinen Bühnenkasten schief lacht. Und weh tut’s auch, aber man erfreut sich ja immer daran, dass es einem nicht selber zustößt… (…) Lena Entezami, Joanne Gläsel, Matthias Heße, Leonardo Lukanow, Ludwig Michael, Ihr seid zum Weinen großartig; umso dankbarer sind wir, dass Ihr uns pausenlos zum Lachen bringt. (Thomas Warnecke, Extra-Tipp am Sonntag)
pressestimmen

Ludwig Michael ist als temperamentvoller Gastwirt und abgründige Dienerin ein komödiantischer Knüller, Joanne Gläsel spielt den gierigen Pantalone mit grotesker Grazie und Matthias Heße hält den ganzen Kuddelmuddel als Truffaldino mit umwerfend sympathischer Ausstrahlung und grandioser Körperkomik zusammen. Ulrich Greb beweist mit sprudelnder Ideenfülle und Mut zu hemmungsloser Beknacktheit, dass er auch nach zwei Jahrzehnten Intendanz immer noch die Energie eines wilden Jungregisseurs hat. (Stefan Keim, Theater der Zeit)
pressestimmen


Ein allzu sozialkritisches Konzept würde denn doch nicht zu Goldonis Lustspiel passen. Und ebenso wichtig wie die gesellschaftliche Haltung ist dem Schlosstheater Moers stets die explosive Spielfreude des Ensembles. Also legt das fulminante Fünferteam los, als ob es die alte Weisheit neu erfinden wollte, dass eine gute Komödie mit einem Feuerwerk beginnt und sich dann stetig steigert. (Stefan Keim, Theater der Zeit)
pressestimmen


Pygmalion oder My fairest Lady

PYGMALION ODER MY FAIREST LADY
NACH GEORGE BERNARD SHAW
Team
Mit:
Maditha Dolle
Joanne Gläsel
Matthias Heße
Leonardo Lukanow
Ludwig Michael
Inszenierung: Damian Popp
Bühne & Kostüme: Tanja Maderner
Musik & Sounddesign: Jonas Schilling
Dramaturgie: Sandra Höhne
Premiere: 3. Mai 2024, Schloss
Fotos: Jakob Studnar
Jeden Tag und jede Nacht Blumen auf der Straße an satte Wohlstandsbürger*innen verkaufen. Eliza Doolittle strebt nach Höherem. Nach einem zufälligen Zusammentreffen mit Professor Henry Higgins und Oberst Pickering wird sie der Gegenstand einer voreiligen Männer-Wette. Aus der „Gossenschlampe“ soll eine Dame der feinen Gesellschaft werden. In unserer Gesellschaft kann jeder, ungeachtet seiner Herkunft, scheinbar alles erreichen, wenn er sich nur ausreichend bemüht und hart an sich arbeitet. Marktwirtschaftlich-liberale Gesellschaften behaupten, dass jeder Mensch aus eigener Macht mit Geschick, Fleiß und Talent seines Glückes Schmied werden kann. Der Regisseur Damian Popp lässt in seiner fetzigen Musical-Show Eliza alle Schablonen sprengen, die ein rücksichtsloser Sprachwissenschaftler für sie geschaffen hat. Warum soll die unbeugsame Miss Doolittle gezähmt werden? Weshalb ist es der Außenseiter und nicht die Mehrheit, die sich anpassen muss?
pygmalion oder my fairest lady

Damian Popp lässt es nicht „grünen“, sondern folgt mit seinem Pygmalion der gesellschaftskritischen Vorlage von George Bernard Shaw, der seinen Schluss sogar umschrieb, um nicht die Steilvorlage für eine Romanze zwischen Eliza Doolittle und Higgins zu liefern. Offen bleibt letztlich die Frage, was nach dem sprachlichen Feinschliff aus dem Blumenmädchen Eliza Doolittle wird, das aus der Gosse kam, den Aufstieg suchte und wie „ne Dame vornehm quasseln“ lernen wollte. Eine emanzipierte Klassenkämpferin vielleicht? Oder schlicht das Opfer einer Welt voller Snobs, die sich nicht für den Einzelnen interessiert? Regisseur Damian Popp und das Ensemble des Schlosstheaters gehen dieser Versuchsanordnung, zu der George Bernard Shaw mit „Pygmalion“ die Vorlage lieferte, lustvoll zwischen Nonsens und Schenkelklopfern nach und heimsen dafür begeisterten Publikumsapplaus ein. (Anja Katzke, Rheinische Post)
pressestimmen

Der selbstherrliche Phonetik-Professor Henry Higgins (Ludwig Michael), ein gestriegelter Laffe, ist Eliza begegnet, die optisch und hörbar der untersten Klasse angehört. Er bietet Pickering eine Wette an. In sechs Monaten will er Eliza in die besten Kreise „einschleusen wie das Pferd durch Trojas Tor“. „Higgins ist phänomenal“, besingt er sich zur Musik von Jonas Schilling, und „ich mach ne Herzogin aus dieser Gassenschlampe“. Um das Schicksal der jungen Frau geht es ihm nicht, sondern allein um den Erfolg seines Projekts. Eliza macht die Sprachschulungen und Artikulationsübungen bereitwillig mit. Wer an sich arbeitet, das glaubt sie fest, kann es ganz nach oben schaffen. Und entscheidend ist nicht, was man sagt, sondern wie man sich ausdrückt, wenn man nichts zu sagen hat. Irgendwann sieht Eliza nicht mehr ein, dass in einer klassenlosen Gesellschaft noch immer soziale Herkunft und Bildung entscheidend sind. Warum soll nur sie sich „maximieren“, wenn die bestimmende Klasse selbst zu keinen nennenswerten Änderungen bereit ist?
Den weißen Abwasserkanal als Projektionsfläche für Laserspiele, Filme, Bilder und sogar Live-Video-Chats (köstliche Auftritte von Matthias Heße) nutzend, machen Popp und seine Mitstreiter aus dem Schauspiel mit viel Musik ein schrilles, an Subtext reiches Spektakel voller Absurditäten und intelligenter Verrücktheiten, dessen Kernthemen vor allem in den Songtexten zum Ausdruck kommen. Die 135 pausenlosen Minuten vergehen wie im Flug. (Wolfgang Platzeck, WAZ)
pressestimmen


Damian Popp lässt die Komödie, die doch so einen traurigen Ausgang hat, turbulent und temporeich abschnurren, mit extrovertiertem Humor, gnadenlosem Witz, großartigen Formulierungen und absurd komischen Bildideen. Eliza ist selbstbewusst; alles Kriecherische ist ihr fremd. Maditha Dolle gibt das Blumenmädchen am Schlosstheater Moers mit frecher Schnauze und herausforderndem Blick. Falls sie verletzlich sein sollte – in wenigen Situationen glaubt man das zu erkennen -, hat sie sich dagegen einen Panzer angelegt. Charmant ist sie nicht, denkt man: Ihr lautes Organ kann einem schon mal auf die Nerven gehen. Und schon wird einem unbehaglich, denn man erkennt, dass man dem Stück und der Inszenierung zum ersten Mal auf den Leim gegangen ist: Der Gedanke entlarvt den eigenen bourgeoisen Hochmut. Regisseur Damian Popp legt in seiner Inszenierung nicht das verkitschte Musical, sondern Shaws klassismuskritisches Theaterstück zugrunde. Gesungen wird ab und zu trotzdem: „Ich mach‘ ‘ne Herzogin aus dieser Gassenschlampe“, schmettert Ludwig Michael als Higgins fröhlich über die Rampe – und hat das Publikum erneut in der Falle. Das freut sich über die schmissige Melodie, über die Fröhlichkeit, über den Slapstick, über das überzeichnete Kostüm des Professors mit seiner gigantisch überdimensionierten Fliege und dem schwarzen Billig-Jackett zur zebragestreiften Hose.
...
pressestimmen
...
Dabei ähnelt Higgins‘ Verhalten dem von Frankenstein, der einen künstlichen Menschen schafft: „Wir erfinden neue Elizas“, jubiliert er. Nicht erzogen, sondern zum Automaten abgerichtet wird die arme Eliza, die am Ende erkennt: Sie hat ihre Freiheit und mit ihrer Authentizität auch ihre Verankerung bei Freunden und Familie verloren, was Higgins‘ Mutter durchaus mahnend vorausgesehen hat: „Das Problem ist, was nachher kommt…“ (Dietmar Zimmermann, theater:pur)
pressestimmen

Aus dem Vollen schöpft Bühnen- und Kostümbildnerin Tanja Maderner. Im steril-weißen Bühnenaufbau, aus dem die Gosse mit waberndem Nebel zu Tage tritt, lässt sie mit prallen Videoprojektionen ohne weitere Requisiten neue Räume und Bilder entstehen. Sie kreiert Gewitter und Kanalflair ebenso wie das elegant eingerichtete Wohnzimmer von Mrs Higgins. (Anja Katzke, Rheinische Post)
pressestimmen

