Seiten Banner bitte auswahlen

Spielzeit 15/16

Fürchten Sie sich? Vor gefährlichen Tieren, dem Grauen des Alltags, vor einem Zusammenbruch der Staats- und Finanzsysteme oder einer feindlichen Übernahme? Dann sind Sie nicht allein, denn kein anderes Gefühl scheint so große Kräfte in Bewegung zu setzen wie die Angst. Von einer „Gesellschaft der Angst“ spricht der Soziologe Heinz Bude und beschreibt, wie die Angst vor Exklusion in einer immer unübersichtlicheren Welt zum alles bestimmenden Motor wird und wie aus dem permanenten Gefühl der Ungewissheit neue „alte“ Ängste geschürt werden, die vor dem Hintergrund von Wut und Verbitterung enorme Resonanz finden. Die Spielzeit beschäftigt sich damit, wie Extreme und extremistischen Positionen auf unsere demokratischen Systeme wirken und machte sich auf die Suche nach gesellschaftlichen Gegenkräften.

Die Eröffnungspremiere „Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch ist eine beklemmende Studie über die wieder erstarkte Gefahr durch Rechtspopulismus und Fremdenfeindlichkeit. Der breite Publikumszuspruch und die Nominierung als eine der 50 besten Inszenierungen der Spielzeit durch das Portal nachtkritik.de zeigen, dass das Schlosstheater mit dieser Produktion einen Nerv trifft. 

Ebenfalls mit politischem Extremismus beschäftigt sich die zweite Produktion „Pornographie“ von Simon Stephens in der Regie von Catherine Umbdenstock. Die Gesellschaftsstudie, entstanden als Reaktion auf die U-Bahn-Attentate in London 2005, zeigt die Verwahrlosung menschlicher Beziehungen in der Mitte der Gesellschaft und setzt sie in Bezug zur Radikalisierung Einzelner. 

Das Kinderstück „Alice im Wunderland“ wird wieder vom bewährten Team Susanne Zaun (Inszenierung) und Mamoru Iriguchi (Ausstattung) inszeniert. In der Festivalhalle entstand eine kindgerechte Etüde über Identitätsverwirrung und den spielerischen Umgang damit. 

Richard III.“ von William Shakespeare zeichnet die Verwerfungen des unbedingten Willens zur Macht eines Einzelnen und untersucht die Frage der Anziehungskraft von autokratischen Machtstrukturen. Als besonderer Griff erwies sich die Besetzung der Titelrolle mit Marissa Möller, die dem „bad guy“ der Stückvorlage eine schillernde Vielfalt von Charakterfacetten verlieh. 

Zum ersten Mal arbeitete der Regisseur Björn Gabriel am Schlosstheater, der in der letzten Produktion der Spielzeit aus Georg Büchners „Leonce und Lena“ durch komplexe Video-/Soundästhetik zu einer psychedelischen Irrfahrt durchs bildungsbürgerliche Unterbewusstsein.

Biedermann und die Brandstifter | Pornographie | Alice im Wunderland | Richard III. | Leonce und Lena |
Spielzeitheft Download

Biedermann und die Brandstifter

Biedermann und die Brandstifter

VON MAX FRISCH

Team

Mit: 
Magdalene Artelt 
Patrick Dollas 
Matthias Heße 
Marissa Möller 
Frank Wickermann 
Bürger:innenchor: Hildegard Hecker | Dagmar Höffken | Sabine Jüngling | Stefan Otto-Bach | Brigitte Puchalski | Ursula Schürings | Brigitte Timme | Anke van den Bosch | Alexandra Warkall | Dagmar Winkler | Markus Zeppen

Inszenierung: Ulrich Greb
Bühne: Birgit Angele
Kostüme: Elisabeth Strauß

Premiere: 05.09.2015, Schloss

 

 

Fotos: Lars Heidrich

„Schon wieder eine Brandstiftung! Und wieder die alte Geschichte: Wieder ein Hausierer, der um Obdach bittet, und am andern Morgen steht das Haus in Flammen“ verkündet Haarwasserfabrikant Gottlieb Biedermann bei seiner Morgenzigarre, nur um unmittelbar danach einem Hausierer eine Unterkunft in seinem Haus anzubieten. Kurz danach werden erste Benzinfässer auf den Dachboden gerollt und Zündschnüre vermessen, doch Herr Biedermann schaut zu und tut – nichts. Max Frischs Klassiker von 1958 zeigt mit fast mathematischem Kalkül, wie aus Egoismus, angepasster Bequemlichkeit, dummer Eitelkeit und Feigheit eine hochexplosive Mischung entsteht, mit deren Hilfe sich Gewalt und Terror ungehindert ausbreiten können. Je näher man der Welt des Gottlieb Biedermann kommt, um so ähnlicher werden die Brandstifter dem Biedermann. 

Dieses „Lehrstück ohne Lehre“ wirkt in Zeiten von grassierender Fremdenfeindlichkeit und Rechtspopulismus wie das Stück der Stunde: Unterstützt vom „Bürgerchor des STM“, der aktuelle Parolen aus Medien und sozialen Netzwerken zitiert, zeigt das spielfreudige Ensemble, wie aus angepasster Feigheit und Egoismus eine hochexplosive Mischung entsteht, die Hass und Terror verbreitet und vor Gewalt nicht zurückschreckt.


 

 

biedermann und die brandstifter

Die beiden Brandstifter tänzeln zur Musik vom ‚Rosaroten Panther‘ – ganz wie im Bekennervideo des NSU. Aber nicht nur das Haus ihres Gastgebers wird in Brand gesteckt, sondern Kolonnen von Flüchtlingszelten gleich mit, die, ganz in Weiß, in Miniatur vor dem Kastell im Moerser Schlosspark aufgereiht stehen. Biedermann ist ein guter Mensch und hat für alle und jeden Verständnis, ‚aber mir kommt keiner ins Haus‘. Seine mit Botox aufgespritzte und von Schönheitschirurgen rundum optimierte Ehefrau führt ein durch und durch überflüssiges Leben. Bald machen sich im Haus ein arbeits- und obdachloser Exringer und ein Exsträfling breit, die Biedermann nicht schafft wieder loszuwerden, allein das Dienstmädchen schleicht argwöhnisch um die beiden herum. Regie und Kostümbild versetzen diesen zeitlosen Figurenkosmos in eine Sphäre zwischen deftigem Comicstrip, Screwball-Komödie, Startrek und Loriot.
Max Frischs Text ist klug komprimiert und gespickt mit Zitaten vom Ratsantrag bis ...

pressestimmen

... zur Pegida-Hetze. Ein Gegenchor stimmt melancholisch-deutsches Liedgut an. Die Übergänge der zunehmend nach rechts ruckenden Texte sind dabei erschreckend fließend. So schält die Inszenierung aus der Parabel gekonnt die Hysterie der Hausbesitzer heraus und seziert die wachsende Angst vor Überfremdung und unsichtbaren Klassenunterschieden, die nicht mehr eingehalten werden.‚Heimat ist Tiefe, nicht Enge‘ und ‚ich bin tolerant, ich bin gut – bis es knallt‘ tönt der Chor der besorgten Bürger und bewaffnet sich schließlich selbst.
Die Moerser Aufführung ist ein Glücksfall. Seit acht Jahren trugen sich Intendant und Dramaturgie mit dem Gedanken, das ‚Lehrstück ohne Lehre‘ aufzuführen. Nun hat die Zeit sich selbst so verdichtet, dass es kein besseres Timing geben könnte.
(Friederike Felbeck, Theater der Zeit)

pressestimmen

Und am Ende reicht er ihnen wider Willen das Streichholz, das alles zerstören wird. Ulrich Greb geht in seiner Inszenierung weit über die Vorlage des Schweizer Schriftstellers hinaus. Es geht ihm um die geistigen Brandstifter von heute (…). Um das politische Thema zu verstärken, lässt er das Dienstmädchen Anna abseits der Bühne aus einschlägigen Internetblogs zitieren, die Besorgnis erregen: „Wir brauchen keine Willkommenskultur, sondern eine Abschiedskultur."
(Anja Katzke, Rheinische Post)

pressestimmen

Es ist die ewige Angst vor dem Fremden, die den Biedermann mit und ohne Feuerzeug zum Brandstifter macht. Und wer hat Angst vorm Biedermann? Regisseur Ulrich Greb hat aktuelle Zitate zur Flüchtlingsdebatte aus sozialen Netzwerken ins Stück eingeflochten. Nicht nur ein Chor wie bei Frisch, sondern gleich zwei kommentieren das Geschehen – und geraten sich in die Haare: „Wir sind der Chor“ überschreit der Bürgerchor im Tonfall der Pegida-Demonstranten den Schauspielerchor, nachdem er besinnlich deutsche Volkslieder gesungen hat.(…) Den Brandstiftern machen die Bürger zu den Klängen von Xavier Naidoos „Was wir alleine nicht schaffen“ den Garaus und schwenken im Takt ihre Feuerzeuge. Und während draußen auf der Wiese vor dem Theater plötzlich ein Mini-Haus brennt, säuseln die Brandstifter in bester Pink-Panther-Manier: „Heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder – keine Frage.
(Gabi Gies, WAZ)

pressestimmen

Eine gekonnte Mischung aus Bert ohne Ernie und dem Leatherface ist dieser Biedermann in Moers ja schon. Mitleid: Fehlanzeige. Biedermann (Frank Wickermann) ist eigentlich kein Opfer, armselig zwar, aber eben ein wohlhabender Haarwasserfabrikant, der über Leichen geht, wenn er muss, aber ziemlich schnell einknickt, wenn es um sein eigenes Wohlergehen geht. Eigentlich ist er ein Idiot. Anscheinend drängte sich das Stück in diese „Freie Radikale“ Spielzeit, das Politische machte es wohl notwendig. Die brennenden Unterkünfte für Asylanten sicher auch.  Der Rest ist eine gekonnt gespielte Farce auf einer schiefen Ebene mit scheinbar lebendem Flokati. Ein Loch führt ins Allerheiligste der Biedermanns, ihr Haus und Hab und Gut, in den Keller: Da lebt auch die Gattin Babette (Marissa Möller), grenzdebil und von Hause aus Idiotin. (…)  Das Kasperletheater wird gefährlich. Die mechanische Drehbühne wird gedreht, doch darunter sind nur Feuerlöscher. Zu spät.
(Peter Ortmann, Trailer)

pressestimmen

Pornographie

Pornographie

VON SIMON STEPHENS

Team

Mit: 
Matthias Heße 
Marissa Möller 
Frank Wickermann

Inszenierung: Catherine Umbdenstock
Ausstattung: Elisabeth Weiß
Dramaturgie: Annika Stadler

 

Premiere: 30.10.2015, Schloss

 

 

Fotos: Jakob Studnar

Vier Tage im Partyrausch: London ist nach Live8-Konzert und Olympia-Zuschlag im Juli 2005 in Feierlaune. In dieser aufgeheizten Stimmung steuern die Bewohner der Stadt am Vorabend der U-Bahn-Attentate wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen auf ihre ganz persönlichen Katastrophen zu. (…) Mit atemberaubender Intensität und absolut geradliniger Erzählweise macht Regisseurin Catherine Umbdenstock in ihrer Inszenierung in der Schlosstheater-Kapelle das Publikum zu Voyeuren eines abgründigen Alltags am Rande der Katastrophe. Eine faszinierende Spurensuche in einem morbiden Europa unserer Tage. Brillant in Szene gesetzt von allen Beteiligten. Marissa Möller, Matthias Heße und ein großartig aufspielender Frank Wickermann übernehmen die Rollen in fliegendem Wechsel – und machen aus der Not eines kleinen Ensembles mit ihrem intensivem Spiel mehr als eine Tugend. Sie spielen die persönlichen Geschichten wie für ein Reality-TV-Format erzählt und liefern gerade deshalb erschütternd greifbare Einblicke in seelische Abgründe, die so schmerzhaft wie verstörend sind: Das ist echtes Gänsehauttheater!
(Gabi Gies, WAZ)

pressestimmen

Vier Tage im Partyrausch: London ist nach Live8-Konzert und Olympia-Zuschlag im Juli 2005 in Feierlaune. In dieser aufgeheizten Stimmung steuern die Bewohner der Stadt am Vorabend der U-Bahn-Attentate wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen auf ihre ganz persönlichen Katastrophen zu. (…) Mit atemberaubender Intensität und absolut geradliniger Erzählweise macht Regisseurin Catherine Umbdenstock in ihrer Inszenierung in der Schlosstheater-Kapelle das Publikum zu Voyeuren eines abgründigen Alltags am Rande der Katastrophe. Eine faszinierende Spurensuche in einem morbiden Europa unserer Tage. Brillant in Szene gesetzt von allen Beteiligten. Marissa Möller, Matthias Heße und ein großartig aufspielender Frank Wickermann übernehmen die Rollen in fliegendem Wechsel – und machen aus der Not eines kleinen Ensembles mit ihrem intensivem Spiel mehr als eine Tugend. Sie spielen die persönlichen Geschichten wie für ein Reality-TV-Format erzählt und liefern gerade deshalb erschütternd greifbare Einblicke in seelische Abgründe, die so schmerzhaft wie verstörend sind: Das ist echtes Gänsehauttheater!
(Gabi Gies, WAZ)

pressestimmen

Was 9/11 für die Amerikaner war, war 7/7 für die Briten. Ein Moment, der alles veränderte und dennoch oder gerade deshalb die eigene, persönliche Situation in den Fokus rückte. Pornographie. Ein Titel, der den Zuschauer erstmal in die Irre führt. Oder? Stephens bezeichnet unsere Kultur als „eine Kultur der visuellen Selbstdarstellung, bei der wir uns und andere unentwegt zum Objekt machen.“ „Der Terror kommt nicht von außen, sondern ist mitten unter uns.“ Und während die drei Protagonisten durch ihre Jalousien spähen, wird deutlich, wie sich Innen- und Außenwelt vermischen. Menschen mit tiefen Abgründen kommen zum Vorschein. Es waren nicht irgendwelche Fremde, es waren welche von uns, Menschen wie du und ich, Menschen, die nah am Abgrund standen, hinunter geschaut haben und gesprungen sind.
(Sarah Dickel, Wochen-Magazin Moers)

pressestimmen

Hinter drei geschlossenen Jalousien tun sich sieben Abgründe auf. Sie erzählen von Verzweiflung, Einsamkeit und Isolation. Regisseurin Catherine Umbdenstock gibt in der Kapelle an der Rheinberger Straße den Blick auf das Dahinter frei. Sie wirft Schlaglichter auf die dort lebenden Menschen, die in ihren Lebenskrisen feststecken, keinen Ausweg finden und bald Grenzen überschreiten. Umbdenstock, die das Stück für das Schlosstheater inszenierte, fügt diesen Kosmos aus Monologen und Zwiegesprächen zu einem emotional dichten Kammerspiel zusammen. (…) Das Stück entrollt sich Szene für Szene: Die Jalousie lichtet sich, eine Figur tritt hervor, innerlich zerrissen, erzählt ihre Geschichte. (…)  Frank Wickermann, Matthias Heße und Marissa Möller wissen, diese Chance gut zu nutzen. Die Inszenierung profitiert von ihrer Präsenz und auch Wandelbarkeit.
(Anja Katzke, Rheinische Post)

pressestimmen

Alice im Wunderland

Alice im Wunderland

VON LEWIS CARROLL

Team

Mit:
Patrick Dollas 
Pola Jane O’Mara 

Inszenierung: Susanne Zaun
Ausstattung: Mamoru Iriguchi
Sounddesign: Bernhard La Dous
Theaterpädagogik: Maria Filimonov 

 

Premiere: 20.11.2015, Schloss

 

 

Fotos: Lars Heidrich

„Zu spät! Zu spät!“ Ehe sich Alice richtig darüber wundern kann, dass das Kaninchen mit den weißen Handschuhen und der Taschenuhr so drän- gende Zeitprobleme hat, purzelt sie schon kopfüber durch den Kaninchenbau in eine fremde Welt. Sämtliche Regeln und Gewissheiten, die Alices Leben bisher bestimmten, sind hier außer Kraft gesetzt: Groß und klein, oben und unten, links und rechts verkehren sich immerzu, bis Alice sich fast selbst verliert. Ob verrückter Hutmacher, Grinsekatze, Jammerwoch oder Herzkönigin – das verschrobene Personal des Wunderlands konfrontiert Alice mit dem herrlichsten Nonsense und am Ende herrscht köstliche Verwirrung darüber, wer eigentlich in wessen Traum steckt.

Susanne Zaun hat in den vergangenen beiden Spielzeiten bereits gezeigt, wie Klassiker auf phantasievolle und humorvolle Weise neu interpretiert werden können. Vor einer beeindruckenden Videokulisse von Ausstatter Mamoru Iriguchi, fielen gleich zwei Alices durch das Kaninchenloch in eine bunte, schräge Welt. 

Alice im Wunderland

„Alice im Wunderland“ wurde zum „WESTWIND“ Festival für Kinder- und Jugendtheater 2016 eingeladen, wo Pola Jane O’Mara und Patrick Dollas für “ihr Charisma und ihre Schauspielkunst” mit dem Preis der Fachjury ausgezeichnet wurden.

Alice im Wunderland

Bäume in Mädchenkleidern blicken von der Leinwand herab, die Grinsekatze kichert unentwegt, Landschaften ziehen vorüber, in denen man mal ganz groß und dann wieder ganz klein ist. Das Publikum erlebt ein komplexes multimediales Stück, Bilder und Farben zum Eintauchen in die fantastische Reise, auf der die Regeln der Logik außer Kraft gesetzt sind. Die Regisseurin Susanne Zaun konfrontiert ihr junges Publikum mit einer doppelten Alice, greift das Motiv des Spiegels aus der Wunderland-Fortsetzung auf und fordert spielerisch auf, sich mit komplexen Identitätsfragen auseinanderzusetzen. (...) Susanne Zaun hat ein atmosphärisch dichtes Stück für Kinder inszeniert, das auch Erwachsenen gefallen dürfte.
(Anja Katzke, Rheinische Post)

pressestimmen

Richard III.

Richard III.

VON WILLIAM SHAKESPEARE

Team

Mit: 
Magdalene Artelt 
Patrick Dollas 
Matthias Heße 
Marissa Möller 
Frank Wickermann

Inszenierung: Ulrich Greb
Bühne: Birgit Angele
Kostüme: Michaela Springer
Dramaturgie: Georg Mellert

 

Premiere: 03.02.2016, Schloss

 

 

Fotos: Jakob Studnar

Bis heute erschreckt die Brutalität und Skrupellosigkeit, mit der Richard, Herzog von Gloucester, seinen blutigen Weg zur Königskrone verfolgt. Das Ausmaß des Schreckens ist selbst für Shakespeare beachtlich: Elf Morde begeht Richard, bevor es ihn selbst erwischt. Bis dahin aber fasziniert er mit Gewitztheit und Charme Gegenspieler wie Publikum und versteht es, alle in seinen Bann zu ziehen. Die Morde werden zur Performance und die Zuschauer zu Mittätern im blutigen Spiel.

Mit Richard III. von 1593 umreißt Shakespeare die letzte Episode der Rosenkriege, dem dreißigjährigen Machtkampf zwischen den Königshäusern York und Lancaster. Gleichzeitig liefert er damit eine eine Blaupause für die Mechanik einer zeitlosen politischen Praxis, die sich einzig durch die Erringung und Erhaltung von Macht definiert. 

Richard III.

Die Inszenierung erhielt den Preis für die beste Ensembleleistung beim 33. NRW-Theatertreffen in Detmold und Marissa Möller wurde mit dem NRW Förderpreis für junge Künstlerinnen und Künstler 2016 ausgezeichnet.

Richard III.

Klebrige, rote Flüssigkeit läuft die schräge Bühne hinab. Sie riecht süßlich, wie Fruchtsirup. Die Toten verschwinden in Ulrich Grebs Inszenierung von Shakespeares „Richard III.“ in einer riesigen Waschmaschine wie im Verbrennungsofen eines Krematoriums. Wenn der Waschgang einsetzt, fließt das Kunstblut. Köpfe fallen, einer zieht sich Gedärme aus dem Körper. Früher nannte man diese Theaterform Grand Guignol, heute vielleicht Tarantineske. (…) Bei aller komödiantischen Überzeichnung finden die rauschhaft rollenwechselnden Schauspieler immer wieder Momente des Gefühls, des Erstaunens und Entsetzens, Inseln der Wahrhaftigkeit im Wahnwitz.
(Stefan Keim, Die deutsche Bühne/ WDR 3)

pressestimmen

Ulrich Greb legt den Schleudergang ein: Der Intendant des Moerser Schlosstheaters folgt der Blutspur, die Shakespeares „Richard III.“ auf seinem Weg zum Königsthron hinterlässt, mit der makaber-spielerischen Freude daran, die Grenzen seiner Zuschauer im Schloss auszuloten. Der Regisseur würzt seine Inszenierung der Tragödie, mit der Shakespeare das Ende der Rosenkriege im feudalen England zum Ausgang des Mittelalters beschreibt, mit einer Mixtur aus Klamauk, Nonsens und Splatter, so wie man es aus den amerikanischen Horrorfilmen kennt, in denen das Blut drastisch und in Strömen fließt und spritzt.
Marissa Möller sorgt in Ulrich Grebs Inszenierung für die schauspielerischen Lichtblicke. „Wenn ich den Liebhaber nicht geben kann, dann bin ich eben der Bööösewicht“, grölt sie mit rauer Kehle in den ...

pressestimmen

... Zuschauerraum, um dann auf der Klaviatur des fiesen Manipulators zu spielen, der nach Shakespeare eigentlich Hinkebein und Buckel hat. Sie schmeichelt, züngelt, lügt, verführt, überredet, keift und schreit, bis die Halsschlagadern anschwellen – mal verrenkt im Handstand, mal schaukelnd an den Stahlträgern im Schloss. (…) Alles in allem darf man sagen: Dieser „Richard III.“ ist ganz schön abgefahren. Aber das passt ja gut in die Karnevalszeit.
(Anja Katzke, Rheinische Post)

pressestimmen

Wenn eine Frau sich reckt und sagt: „Ich bin ein gut gebauter Mann“, dann sieht man doch schon, dass das gelogen ist. Lüge, Verstellung, Schein, Imitation – das ist das Wesen Richards III. bei Shakespeare. Dass er eine Frau ist, die ganz männlich tut, die Hände in die Hosentaschen wühlt, die Hosenträger knallen lässt, das passt da gut. Im Moerser Schlosstheater spielt Marissa Möller diesen Richard und es ist nicht nur ein Besetzungscoup wie so oft. Es gibt dem Abend einen eigenen Antrieb. Sie spielt einen Schauspieler, der einen Menschen spielt, der sich verstellt: Imitation einer Imitation einer Imitation.
(Gerhard Preußler, nachtkritik.de)

pressestimmen

Das Zusammenspiel des Ensembles bietet durch die spezielle Umdrehung der Geschlechterrollen eine ganz eigene Komik. So verwundert es auch nicht, dass aus dem Publikum des Öfteren Gelächter kommt. Während Richard sich immer mehr in seinem Machtspiel verliert, immer mehr blutgetränktes Wasser die Bühne hinab fließt, fragt der Zuschauer sich, wie dieser Mann zu dem werden konnte, der er ist.  Es wird deutlich, dass Richard im Endeffekt für eine x-beliebige Person, die nach der Macht strebt, stehen kann. Eine Person, die es sowohl damals als auch heute geben kann. Ein Stück, dessen Intention nie aktueller hätte sein können.
(Lokalkompass.de)

pressestimmen

Leichen pflastern seinen Weg auf den Thron. Der hinkende und bucklige Herzog von Gloster begeht oder veranlasst einen Mord nach dem anderen, um König zu werden und zu bleiben. Am Ende erwischt es ihn selbst. Shakespeares „Richard III.“, entstanden um 1593, umreißt die letzte Episode der dreißigjährigen Rosenkriege zwischen den Königshäusern York und Lancaster. Gleichzeitig steht das Stück zeitlos und exemplarisch für die Faszination von Herrschaft und die blutig-brutale Mechanik, die Machtgewinnung und Machterhaltung mit sich bringen kann.
(Martin Burkert, WDR5)

pressestimmen

„Freie Radikale“, so hat das Moerser Schlosstheater die aktuelle Spielzeit überschrieben, und radikal ist Shakespeares „Richard III.“ gewiss, der hässliche, verkrüppelte, geniale, anziehend-abstoßende Spieler der Macht im England der Rosenkriege. Und so frei, um der Macht willen eine knietiefe Blutspur in der Geschichte zu hinterlassen. Die schon für Shakespeare, im elisabethanisch befriedeten England, überstanden war.(…) Wie immer machen sie in Moers aus den beschränkten Mitteln einen Stil, die grandiosen mimischen Kraftpakete Patrick Dollas, Frank Wickermann, Holger Stolz und Matthias Heße wechseln fliegend zwischen Hose und Rock und kommen auf mehr als zwei Dutzend Rollen. Von Arbeitern der Geschichte, wie die mit Namen versehenen Spinde am Rand der Bühne suggerieren? Es will nicht jedes Bild dieser Inszenierung so gut aufgehen wie das der Riesen-Waschmaschine ganz oben auf der schrägen, gefliesten Welt-Scheibe, aus deren Mitte es immer wieder blutigrot sprudelt und die Waschlauge der Geschichte herunterrinnt.
(Jens Dierksen, WAZ)

pressestimmen

Das Mädel Marissa gibt den Richard, und vier Männer teilen sich fünfzehn andere Rollen, Lady Anne, die Herzogin von York, Margaret und Elisabeth inklusive. Da ist zwangsläufig viel Travestie im Spiel. Und das wirkt überhaupt nicht peinlich, denn Frank Wickermann, Patrick Dollas, Holger Stolz und Matthias Heße beherrschen den Frauentausch grandios. Sie spielen lustig, aber, unterstützt von den aberwitzigen Kostümen Michaela Springers, mit der nötigen Distanz zum Kabarett. (…) Auch Matthias Heße hat vier grundverschiedene Rollen zu bewältigen, und er beweist dabei wieder einmal, dass er zu den spielfreudigsten, variabelsten Schauspielern Nordrhein-Westfalens zählt: Sei es der finstere Mörder Tyrrell, sei es der bebrillte Hastings, dessen Lockenkopf der Schleifmaschine zum Opfer fallen wird, sei es als Elisabeth mit ultrabreiter Halskrause und einer Hochsteckfrisur, die wirkt, als hätte sie Victoria Behr für einen Herbert-Fritsch-Klamauk entworfen – dieser Matthias Heße ist immer eine Show und rettet noch die ekligsten Momente des blutigen Abends.
Marissa Möller hat (mit Ausnahme der Schluss-Szene) nur einen einzigen Charakter darzustellen. Die Rollenwechsel ...

pressestimmen

... von Heße, Wickermann, Dollas und Stolz sind für die Schauspieler anstrengend, aber sie machen zweifellos auch Spaß. Was Möller dagegen leisten muss, ist nicht vergnügungssteuerpflichtig. Die junge Schauspielerin stellt sich selbst vor stimmliche, sportliche und emotionale Herausforderungen, die um ihre Gesundheit fürchten lassen. Sie turnt wie Hambüchen, kiekst wie Sophie Rois, gurrt wie ein Taube, schreit wie ein Psycho in der Zwangsjacke, sie wirbt, sie fleht, sie intrigiert – man muss ihre (von der Regie vorgegebene) Interpretation des Richard nicht mögen, aber ihre schauspielerische Leistung ist zutiefst beeindruckend. Vor allem nach der Krönung Richards bricht das Psychopathische ihrer Figur immer stärker durch. Richards wachsendes Misstrauen steigert seine Mordlust. Reihenweise werden die Figuren um die Ecke gebracht – und diese Ecke ist in Ulrich Grebs Inszenierung die erwähnte gigantische Waschmaschine. Wer stirbt, wird in die große Trommel verfrachtet, und kaum setzt der Schleudergang ein, schäumt rotes Blut aus dem Ablaufschlauch, der mitten auf der schrägen runden Spielfläche mündet, die so zur blutigen Agora des Terror-Regimes wird.
(Dietmar Zimmermann, Theaterpur.net)

pressestimmen

Leonce und Lena

Leonce und Lena

NACH GEORG BÜCHNER

Team

Mit: 
Magdalene Artelt 
Patrick Dollas 
Matthias Heße 
Marissa Möller 
Frank Wickermann

Inszenierung / Textfassung: Björn Gabriel
Ausstattung: Stefanie Dellmann
Video: Anna Marienfeld | Björn Nienhuys | Tilman Oesterreich
Dramaturgie: Annika Stadler

 

Premiere: 09.04.2016, Schloss

 

 

Fotos: Jakob Studnar

Der 22-jährige Revolutionär Georg Büchner schreibt 1836 ein höchst am- bivalentes Lustspiel. Das Komödienschema wird gekonnt bedient – Prinz soll heiraten, will aber nicht, Flucht nach Italien, Treffen mit anonymer Schönheit, Instantverliebtheit, Verwirrspiel, Heirat und alle Fragen offen– doch unter dieser bunten Oberfläche versteckt sich seine ironische und böse Gesellschaftskritik. In der abgelebten Welt von Leonce und Lena herrscht totale Stagnation, trotz aller materieller Möglichkeiten langweilt man sich bis zur Erschöpfung und die Utopie scheint unter den leeren Ritualen und Phrasen der Repräsentation längst verloren.
Regisseur Björn Gabriel, der erstmals in Moers arbeitet, treibt dem Stück jede Form der vielzitierten „Langeweile“ aus und verwandelt es in einen tempo-und bildreichen Trip, in dem die abgelebten und leeren Sehnsüchte im hoch energetischen Spiel des Ensembles und dem forcierten Einsatz von Sound- und Videotechnik zu permanenten Überlagerungen und Doppelbelichtungen führen.

Leonce und Lena

Da gab es Theater zum schwindelig werden. Alles dreht sich – auf einer von den Schauspielern Frank Wickermann und Matthias Heße im Nebenjob handbetriebenen Drehbühne. Die Reise nach Italien, mit der Leonce seiner Langeweile entfliehen will, wird zum psychedelischen Drogen-Trip voller bunter Bilder und Musik. Björn Gabriel bedient in seiner Inszenierung ambitioniert alle Sinne. Video-Clips mit rasenden Wolken oder beweglichen Strukturen aus Blättern oder Wiesen gestalten den Hintergrund. Zuweilen läuft das Schauspiel hinter den Kulissen ab und wird mit ruckeligen Kamerabewegungen übertragen. (…) Auf der Bühne steht ein Baugerüst, auf dem die Akteure kühn herumturnen und auf genau einem Quadratmeter Brett stehen, das die Welt bedeutet. (…) Der Zuschauer jedenfalls ist bei dieser Inszenierung durchaus gefordert, nicht zuletzt durch eine gewisse Eile des Erzählens bei gleichzeitiger Bilderflut. Schöne, neue Welt mit einem alten Stück. Gleichwohl fühlte sich das Premierenpublikum gut unterhalten und dankte einem sehr stark aufspielenden Ensemble mit lang anhaltendem Applaus.
(Karen Kliem, NRZ)

pressestimmen